Widukind war ein westfälischer Sachsenführer.
Er galt als ärgster Widersacher Karls des Großen während der Sachsenkriege.
Mythos Widukind
Der sächsische Adlige Widukind leistete als „Herzog der Sachsen“ Frankenkönig Karl dem Großen zwischen 777 und 785 erbitterten Widerstand, als dieser sich anschickte, die Sachsen zu unterwerfen und ihnen das Christentum zu bringen. Schließlich unterwarf Widukind sich jedoch und ließ sich sogar taufen.
Vieles vom Widukindbild blieb unklar. So lässt sich nicht mehr feststellen, wo er nach seiner Taufe lebte und an welchem Ort er starb.
In den Mythen erhielt Widukind sowohl als heidnischer Krieger als auch als bekehrter Christ Verehrung. In der heutigen Zeit ist Widukind vor allem in Ost-Westfalen noch bekannt. Besonders zwischen Enger, Herford und Minden wird das Andenken an Widukind gepflegt.
Name und Herkunft
Die Bezeichnung Widukind stand für „Kind des Waldes“ oder „Waldkind“. Allerdings galt Widukind auch als Umschreibung für den Wolf.
Woher Widukind stammte, ist unklar. Es gilt als wahrscheinlich, dass er Teil eines vornehmen Stammes der Sachsen in Westfalen war. Seine Gemahlin wurde als Geva oder Gheua bezeichnet. Dieser Name tauchte allerdings erst im 13. Jahrhundert in der Braunschweigschen Reimchronik auf. Belegen ließ sich diese Angabe daher nicht.
In einer Schrift des Benediktinermönchs Meginhard aus dem Jahr 863 wird berichtet, das Widukind einen Sohn namens Wikbert hatte. Dessen Enkel, der ebenfalls den Namen Wikbert trug, stieg später zum Bischof von Verden auf. Auch die heilige Mathilde (um 896 bis 968), die Gemahlin von König Heinrich I. von Ostfranken, soll von Widukind abstammen.
Vorgeschichte
Widukind wurde in eine Zeit geboren, in der das Gebiet der Sachsen am Rhein an das Reich der Franken grenzte. Das christliche Frankenreich erstreckte sich im 8. Jahrhundert bis nach Hessen und in mitteldeutsche Regionen. Das Gebiet der Sachsen reichte von Eider und Nordsee bis an die rheinischen Regionen sowie von Elbe und Saale bis zur Yssel.
Zwischen Sachsen und Franken herrschte tiefe Feindschaft, was auch auf die verschiedenen Religionen zurückzuführen war. Immer wieder kam es zu blutigen Grenzkriegen und Raubzügen. Vor dem Amtsantritt Karl des Großen begnügten sich die Franken damit, ihre Grenzen gegen die Sachsen abzusichern. Ab dem Jahr 771 begann Frankenkönig Karl jedoch damit, sein Reich nach Osten auszudehnen. Gleichzeitig wollte er die Sachsen endlich zum Christentum bekehren.
Weil die bisherigen friedlichen Versuche, den Sachsen das Christentum näherzubringen, fehlgeschlagen waren, schreckte Karl dabei auch vor Gewalt nicht zurück. Als äußeres Zeichen der Einsicht mussten sich die Sachsen taufen lassen. Sowohl die Treue zu Karl sowie dem fränkischen Königtum als auch zum Christentum waren für den Monarchen ein und dasselbe.
Die Sachsenkriege beginnen
Im Jahr 772 begann Karl der Große mit seinen militärischen Aktionen gegen die Sachsen. Im Zuge dessen kam es zur Zerstörung des sächsischen Heiligtums Irminsul. Die Schätze an Gold und Silber, die sich dort befanden, fielen in die Hand der Franken. Für die Sachsen bedeutete die Zerstörung ihres religiösen Heiligtums einen schweren Schlag, der ihre Wut auf die Franken noch weiter steigerte.
773 hielt sich Karl der Große in Italien auf. In seiner Abwesenheit griffen die Sachsen die Stadt Deventer an. 774 wurde außerdem Fritzlar von den Engern belagert, konnte den Angriffen jedoch standhalten.
Im Jahr 775 startete Karl einen neuen Feldzug gegen die Sachsen, in dessen Verlauf er die Engern und Ostfalen schlagen konnte. Den westfälischen Sachsen gelang es jedoch, eine Abteilung der fränkischen Soldaten zu bezwingen. Dennoch drangen die Franken bis an die Oker vor. Die Sachsen mussten Geiseln stellen und Karl den Treueid schwören. 776 und 777 fanden die ersten Massentaufen der Sachsen statt.
Die sächsische Oberschicht begann aus politischen Gründen mit Karl zusammenzuarbeiten, sodass zahlreiche sächsische Adelige die Taufe empfingen. Die unteren Stände der Sachsen leisteten jedoch noch immer Widerstand.
Widukind tritt auf den Plan
Es wird angenommen, dass Widukind von Anfang an am Sachsenkrieg teilnahm. Seine erste Erwähnung in den fränkischen Reichsannalen stammt aus dem Jahr 777. Im Unterschied zu vielen anderen sächsischen Edelleuten weigerte sich Widukind, zur Reichsversammlung der Franken nach Paderborn zu kommen.
Jener Widukind setzte sich an die Spitze des Widerstands gegen die Franken. Dabei führte er einen regelrechten Kleinkrieg gegen die Besatzungstruppen. Ließ die Truppenstärke der Franken nach, flammte der Widerstand wieder auf, und die Sachsen führten regelrechte Rachefeldzüge durch, wobei sie wichtige Burgen einnahmen oder niederbrannten. Auch christliche Kirchen und Klöster fielen den Verwüstungen zum Opfer.
Für ein Jahr fand Widukind Unterschlupf beim dänischen König Sigfrid. 778 führte der Sachsenherzog mit seinen Truppen einen Großangriff auf Westfalen durch und attackierte das fränkische Rheinland. Es entstanden umfangreiche Schäden für die Franken. Auch die sächsischen Edelleute, die König Karl unterstützten, waren zwischen 779 und 781 nicht mehr sicher.
Sachsen wird Teil des Frankenreiches
Bis 782 hatte sich die Lage wieder weitgehend beruhigt. Im Juli hielt Karl in Lippspringe auf dem Boden Sachsens eine Reichsversammlung ab. Viele Sachsen nahmen an ihr teil. Karl beschloss, die fränkische Grafschaftsverfassung auf Sachsen zu übertragen. Darüber hinaus ließ er sächsische Edelleute zu Grafen ernennen und das Land in fränkische Grafschaften aufteilen. Dadurch gehörte Sachsen nun formell zum Reich der Franken.
Widukind schlägt erneut zu
Widukind war unterdessen erneut Gast des dänischen Königs. Als er zurückkehrte, rief er wiederum zum Aufstand gegen die Franken auf. Es kam zur Schlacht am Süntel, bei der die Sachsen einen größeren Sieg über die Franken verbuchen konnten. Die Franken hatten das Lager der Sachsen übereilt angegriffen, sodass sie eingekreist und fast völlig aufgerieben wurden. Außerdem starben zwei der höchsten fränkischen Beamten.
Karl der Große reagierte nun wütend und hielt als Antwort das Blutgericht von Verden ab. Dabei soll es auf seinen Befehl hin zur Köpfung von bis zu 4500 Sachsen gekommen sein. Diese Zahl ist jedoch in der Geschichtswissenschaft stark umstritten und gilt als deutlich zu hoch.
Widukind entging Karls Strafgericht und setzte sich erneut nach Dänemark ab.
Schlacht an der Hase
783 zwang Widukind bei der Schlacht von Grotenburg die Franken dazu, sich zurückzuziehen. Im Spätsommer fand die Schlacht an der Hase beim heutigen Osnabrück statt.
Zuvor war es zu Auseinandersetzungen zwischen Karl und Widukind bei Detmold und Paderborn gekommen. In Paderborn erhielt Karl Verstärkungen für sein Heer, um mit vereinten Kräften nach Ostsachsen zu marschieren. Mit Gewalt wollte Karl nun den Widerstand der Sachsen endgültig brechen. Allerdings gelang es Widukind, sämtliche Stämme der Sachsen zu einem großen Heer zusammenzuschließen.
Widukind versammelte seine Truppen an der Hase, die sich nordwestlich von Paderborn befand. Dadurch musste sich Karl nun in Widukinds Richtung nach Westfalen begeben, da ihm die sächsischen Truppen sonst in den Rücken zu fallen drohten.
An der Hase trafen Karl und Widukind zu einer Schlacht aufeinander, die drei Tage dauerte. Karl hatte weitere Verstärkungen erhalten und entschied die Schlacht klar zu seinen Gunsten. Ein Großteil des sächsischen Heeres geriet in Gefangenschaft.
Widukind konnte jedoch auf seine Wittekindsburg in der Nähe von Rulle entkommen. Einer Sage nach sollen die Franken die Burg belagert haben, aber Widukind entrann ihnen abermals. Karl kontrollierte nun die gesamte Region zwischen Weser und Elbe.
Widukind gibt den Kampf auf
Trotz der schweren Niederlage bei der Schlacht an der Hase setzte Widukind den Widerstand gegen die Franken auch im Winter fort und erhielt dabei Unterstützung von den Friesen. Teile des Frieslands kehrten sogar wieder zum Heidentum zurück. Liudger, der Bischof von Münster, trat die Flucht nach Rom an.
Nach diesen Ereignissen setzte Karl im Sommer 785 seinen Vormarsch bis an den Bardengau an der Unterelbe fort. Auf nennenswerten Widerstand traf er dabei nicht mehr. Dennoch wurden die sächsischen Befestigungen dem Erdboden gleichgemacht. Widukind sah sich gezwungen, den Rückzug ins Gebiet der Nordalbinger anzutreten.
Widukinds Glaube an den Sieg war mittlerweile gebrochen. Karl versuchte nun, den Krieg durch Verhandlungen zu beenden und forderte sowohl Widukind als auch Abbio, bei dem es sich um Widukinds Schwiegersohn gehandelt haben soll, auf, ohne Furcht zu ihm zu kommen, um Verhandlungen zu beginnen. Der Frankenkönig garantierte seinen Widersachern freies Geleit und Straflosigkeit. Als er zudem versprach, Geiseln zu stellen, stimmten Widukind und Abbio einem Treffen mit Karl zu.
Taufe und Friedensschluss
In der Königspfalz Attigny an der Aisne trafen Ende 785 Widukind und Karl schließlich friedlich beim königlichen Heerlager aufeinander. Dort zeigten sich Widukind und Abbio bereit, dem Frankenkönig die Treue zu schwören und den Widerstand einzustellen. Außerdem empfingen sie und viele ihrer Begleiter die Taufe.
Um seinen bislang ärgsten Feind zu ehren, übergab Karl der Große Widukind einige wertvolle Geschenke. Aus Freude über Widukinds Taufe ordnete Papst Hadrian I. für Juni 786 ein allgemeines christliches Dankfest an. Die katholische Kirche verehrte Widukind fortan als Seligen.
Spätere Quellen gaben neben Attigny allerdings noch elf andere Orte an, an denen Widukind die Taufe empfangen haben soll. Dazu gehören Paderborn, Worms oder die Hohensyburg.
Widukinds weiteres Leben
Durch die Taufe konnte Widukind mit Karl dem Großen schließlich einen Friedensvertrag abschließen. Darüber hinaus wurde seine Position in der Oberschicht der Sachsen, die mit den Franken zusammenarbeitete, gestärkt. In den folgenden Jahren stiegen auch sächsische Edelleute zu einem Teil der fränkischen Grafenschaft auf, sodass aus zwei Völkern letztlich eines wurde.
Die Sachsen führten zwar bis ins Jahr 804 noch Aufstände gegen die Franken durch, doch nahm Widukind an ihnen nicht mehr teil.
Wie es mit Widukinds Leben nach dem Friedensschluss weiterging, ist nicht bekannt. So wurde über ihn einfach nicht mehr berichtet. Es gilt aber als wahrscheinlich, dass Widukind seinen Schwur hielt und dem christlichen Glauben treu blieb. Es wird außerdem vermutet, dass er in seine sächsische Heimat zurückkehrte.
Erwähnung fand der Sachsenführer aber noch in der Via Liudgeri, die seine Teilnahme an einem Feldzug gegen die Wilzen vermeldete. Die Kaiserchronik ließ verlauten, dass Widukind von Karls Schwager Gerold von Schwaben erschlagen worden sein soll. Gerold starb wiederum im Jahr 799 bei einem Awarenfeldzug.
Einer anderen Quelle zufolge soll Widukind von Karl auf die Insel Reichenau verbannt worden sein, auf der er fortan als Mönch lebte. Allerdings gilt diese Angabe als höchst umstritten.
Widukinds Grabstätte
Wann Widukind starb und wo er begraben liegt, blieb im Dunkeln. Es wird vermutet, dass seine sterblichen Überreste in einem Grab, das zur Stiftskirche Enger gehört, ruhen. Neuere wissenschaftliche Untersuchungen stützen diese These, zu einem exakten Nachweis kam es jedoch noch nicht.
In der Gegenwart erinnern an Widukind verschiedene Bauwerke wie der Brunnen mit der Widukindfigur in Enger, eine Statue in Nienburg/Weser oder das Widukinddenkmal in Herford. Außerdem rankten sich zahlreiche Legenden und Sagen um den Sachsenherzog.