Die Sachsenkriege nahmen einen großen Teil im Leben Karls des Großen ein.
Sie erstreckten sich von 772 bis 804.
Die Sachsen
Im 8. Jahrhundert bewohnten die Sachsen Westfalen und Niedersachsen bis zur Elbe hin. Ihre Vorfahren hatten bereits gegen die Römer gekämpft. Im Unterschied zu den Franken wurden die Sachsen jedoch nicht von einem König regiert und waren eher lose organisiert. Anstelle eines einzelnen Herrschers fungierten mehrere Stammesführer, die einander gleichberechtigt waren. In unregelmäßigen Abständen fanden sie zu Zusammenkünften zueinander, auf denen sich die einzelnen Häuptlinge trafen.
Zu solchen Zusammenschlüssen kam es meist nur in Notfällen, wie zum Beispiel bei kriegerischen Auseinandersetzungen. Dann unterstellten sich die Sachsen sogar dem Befehl eines einzelnen Anführers.
Die Organisation der Sachsen erfolgte in Gauen, deren Gebiete unterschiedlich groß ausfielen. Der Umfang hing wiederum von den einzelnen Siedlungsgebieten ab. Zu den drei großen Heerschaften zählten Westfalen, Ostfalen und Engern. Während der Sachsenkriege gingen diese drei Großheere auch getrennt voneinander vor.
Bei den Sachsen herrschten aber auch soziale Spannungen zwischen den Adligen und den Freien. Nicht selten trübten diese Spannungen die Schlagkraft der Sachsen gegen das Frankenheer.
Sich selbst betrachteten die Sachsen als frei. So waren sie niemandem Rechenschaft schuldig. Mit ihnen in ihrer Gesamtheit konkrete Abkommen zu treffen oder Verhandlungen zu führen, war daher kaum möglich.
Sächsischer Glaube
Ein weiterer Unterschied zwischen Sachsen und Franken bestand im Glauben. Während die Franken Christen waren, beteten die Sachsen die alten germanischen Götter an. Außerdem pflegten die Sachsen einen ausgeprägten Natur- und Baumkult. Von Bedeutung waren ferner der Glaube an Zauberei und Orakel. Mitunter wurden sogar Menschenopfer gebracht. Auch an Hexen glaubten die Sachsen.
Die wichtigsten Götter der Sachsen waren Wodan oder Wotan (Odin) und Donar (Thor). Schon vor den Sachsenkriegen gegen Karl den Großen gab es Missionierungsversuche durch dessen Vater Pippin (714-768), die jedoch scheiterten. Allerdings handelte es sich dabei eher um kleinere Teilkriege.
Konflikte zwischen Franken und Sachsen
Zwischen den Franken und Sachsen war es schon häufiger zu militärischen Konflikten gekommen. So war Karls Großvater, der Hausmeier Karl Martell (zwischen 688 bis 691 – 741), mehrmals mit seiner Armee in das Gebiet der Sachsen vorgedrungen. Dabei übte er Vergeltung für sächsische Raubzüge und dehnte zur gleichen Zeit das Hoheitsgebiet des Fränkischen Reiches aus. Um die Grenzen Frankens gegen die Sachsen zu sichern, waren bereits um 700 große Burgen errichtet worden. Die Streitigkeiten zwischen den Franken und Sachsen hielten jedoch an.
Karl wird fränkischer König
Im Jahr 768 wurde Karl zum König der Franken. Nach dem plötzlichen Tod seines Bruders Karlmann I. im Dezember 771 konnte er allein über das Reich regieren. Doch stand er vor verschiedenen Problemen, die seiner Aufmerksamkeit bedurften, wie die Auseinandersetzungen mit den Langobarden in Norditalien.
Als es Karl gelungen war, die Lage im Frankenreich zu stabilisieren, schien ein günstiger Moment gekommen, um eine Strafexpedition gegen die aufrührerischen Sachsen zu unternehmen. Immer wieder griffen die Sachsen fränkisches Gebiet an, um Raubzüge durchzuführen.
Seit dem Jahr 758 unterstanden die Sachsen außerdem der Tributpflicht, als sie von Karls Vater Pippin dem Kurzen zumindest zum Teil militärisch geschlagen worden waren. Die Sachsen zahlten den Tribut jedoch nur unregelmäßig.
Darüber hinaus wollte Karl endlich die ständigen Grenzkonflikte mit den Sachsen zu Ende bringen und dabei auch sein eigenes Großreich errichten. Bislang wurde sein Reich, dass sich von den Pyrenäen im Westen bis nach Thüringen im Osten sowie bis nach Italien im Süden erstreckte, hauptsächlich von Romanen bevölkert.
Karl selbst betrachtete sich als Germane, der sowohl die Sachsen als auch die benachbarten Stämme angliedern wollte, um ein germanisches Element für sein Reich zu schaffen.
Bekehrung zum Christentum
Aber auch Glaubensfragen spielten für den Ausbruch der Sachsenkriege eine zentrale Rolle. So war Karl der Ansicht, dass er dem Hass der heidnischen Völker auf die Christen am besten begegnen könnte, wenn er sie dazu brachte, selbst das Christentum anzunehmen und ihrem alten Glauben abzuschwören. Die Vertreter der Kirche bestärkten den Frankenkönig in seiner Auffassung.
Für Karl war die Bekehrung der Sachsen jedoch nicht nur ein religiöses Ziel, sondern auch eine politische Absicht. Ihm war klar, dass er die Sachsen ohne eine gemeinsame Religion nicht auf Dauer im Reich würde halten können.
Beginn der Sachsenkriege
Im Jahr 772 begann Karl der Große nach der Bestätigung durch die Reichsversammlung in Worms mit seinem Feldzug gegen die Sachsen und marschierte von Hessen aus gegen sie.
Unter dem Befehl ihrer Anführer leisteten die Sachsen erbitterten Widerstand, wurden jedoch von den Franken besiegt.
Vernichtung der Irminsul
Besonderes Entsetzen bei den Sachsen verursachte die Zerstörung der heiligen Irminsul durch die Franken, indem sie sie verbrannten. Bei der Irminsul handelte es sich um eine Säule, die auf einem großen Platz in der Nähe der Eresburg thronte. Sie galt für die Sachsen als Trägerin des Weltalls und ähnelte damit dem Weltenbaum Yggdrasil, wobei Yggdrasil einen Baum darstellte und keine Säule. Für die Sachsen bedeutete die Irminsul ein wichtiges Wahrzeichen und war das Sinnbild für das Himmelsgebäude.
In der Zerstörung der Irminsul sahen die Sachsen auch einen Angriff auf ihre Verfassung. So lässt sich ihre Vernichtung auch als Auflösung des sächsischen Rechts betrachten.
Militärisch konnten die Franken bei ihrem Sommerfeldzug weitere Erfolge verzeichnen. Karls Streitkräfte nahmen die Syburg in der Nähe von Dortmund sowie die Eresburg, die im heutigen Obermarsberg im Hochsauerland lag, ein.
Im weiteren Verlauf drang die fränkische Armee in Richtung Weser bis zu den Zentren der sächsischen Siedlungen vor. Die Sachsen wehrten sich tapfer und verbissen und konnten den Franken Verluste zufügen, indem sie sie aus dem Hinterhalt angriffen. Letztendlich waren sie jedoch nicht in der Lage, den sächsischen Panzerreitern auf die Dauer etwas entgegenzusetzen.
Die Sachsen mussten sich unterwerfen, ansonsten wurden ihre Dörfer vernichtet und die Anführer hingerichtet. Um das Christentum unter den Sachsen zu verbreiteten, fanden immer wieder Massentaufen statt, die jedoch erzwungen waren.
Erste Verhandlungen
Nach seinen ersten Erfolgen sah Karl nun die Zeit gekommen, um Verhandlungen mit jenen sächsischen Adligen zu führen, die dazu bereit waren. Als Pfand überließen sie dem Frankenkönig Geiseln.
Im Oktober 772 konnte Karl wieder nach Hause zurückkehren. Der Frieden war jedoch nur von vorübergehender Dauer.
Neue Konflikte
Als Karl 774 in Italien gegen die Langobarden erfolgreich zu Felde zog, flammte der Widerstand der Sachsen erneut auf. Die Abwesenheit Karls ausnutzend, griffen die Sachsen Hessen an, zerstörten die Eresburg und plünderten Fritzlar. An der Buriaburg, die sich erfolgreich verteidigte, mussten sie jedoch Halt machen.
Karl startete 775 einen neuen Feldzug gegen die Sachsen und marschierte bis an die Weser.
In der Nähe von Höxter wurden die Sachsen zum Kampf gestellt und geschlagen. Karl ließ zur Sicherung des Rückzugs einen Teil seines Heeres zurück und marschierte mit dem Rest durch Ostfalen in Richtung Oker, wo er die Sachsen überraschte.
Der ostfälische Stammesführer Hessi sowie weitere Adlige unterwarfen sich dem Frankenkönig. In Bückeburg stellten die sächsischen Engern Karl Geiseln, um ihren guten Willen zu bekunden.
Reichsversammlung in Sachsen
Im Jahr 777 ließ Karl der Große erstmals eine Reichsversammlung auf sächsischem Boden im Gebiet des heutigen Paderborn abhalten. Dabei sollte die Bekehrung der Sachsen zum Christentum beschleunigt ablaufen.
Zu diesem Zweck kamen sogar englische Missionare zum Einsatz. Die Kirche sollte nach Karls Willen als Verwaltungsinstrument des sächsischen Territoriums dienen und dazu ihre Klöster und Bildungseinrichtungen nutzen.
Die Kämpfe eskalieren
Die aufständischen Sachsen formierten sich jedoch neu und griffen Orte der Chatten in Hessen an. Angeführt wurden sie von Widukind, der einem westfälischen Adelsgeschlecht entstammte und als „Herzog“ der Sachsen deren Führung übernahm.
Widukind hatte die Sachsen besser organisiert, sodass sie sich den Franken nun in offener Feldschlacht entgegenwarfen. Bei Laisa und Battenfeld gelang es den Sachsen im Jahr 778, der fränkischen Armee eine schwere Niederlage zuzufügen.
Reichstag zu Lippspringe
782 fand der Reichstag zu Lippspringe statt. Auf ihm wurde entschieden, das Gebiet der Sachsen in fränkische Grafschaften einzuteilen. Des Weiteren hatten die Sachsen den Franken Abgaben zu leisten. Auch die heidnischen Sitten der Sachsen sollten unterdrückt werden, was weitere Zwangsbekehrungen zur Folge hatte.
Vor allem die sächsischen Bauern zeigten sich zutiefst empört über diese Entscheidungen. Der sächsische Adel neigte jedoch zunehmend dazu, den Frankenkönig zu unterstützen.
Noch im gleichen Jahr feierte Widukind bei der Schlacht am Süntel einen Sieg über die fränkischen Truppen. Karl der Große war währenddessen mit einem Feldzug gegen die Sorben beschäftigt.
Das Blutgericht von Verden
Karl geriet über den anhaltenden Widerstand der Sachsen immer mehr in Wut. Dadurch soll es 782 zum Blutgericht von Verden an der Aller gekommen sein.
Auf Befehl des Frankenkönigs wurden bis zu 4500 gefangene Sachsen geköpft. Die Zahl von 4500 Todesopfern gilt in der heutigen Forschung allerdings als übertrieben. So ließen sich am Hinrichtungsort keine archäologischen Funde eines derartigen Massakers machen.
Von manchen Forschern wird sogar von einem Schreibfehler ausgegangen. So soll anstelle von „delocabat“ (Umsiedlung) „decollabat“ (Enthauptung) geschrieben worden sein.
Widukinds konnte Karl der Große jedoch nicht habhaft werden, weil es Widukind gelang, nach Dänemark zu entkommen.
Erlassen von Sondergesetzen
Karl führte 782 das Sondergesetz Capitulatio de partibus Saxoniae ein. Darin wurde mit der Todesstrafe bedroht, wer die christliche Reichsordnung missachtete. Dies beinhaltete zum Beispiel das Herabwürdigen von Priestern, den Verzehr von Fleisch an Fastentagen oder das Vornehmen der Feuerbestattung, die bei den Sachsen üblich war.
Eine weitere Maßnahme war das Umsiedeln von Sachsen in andere Reichsgebiete, was sich als sehr wirksam erwies, weil der sächsische Widerstand dadurch deutlich geschwächt wurde.
Selbst von einigen seiner eigenen Leute wurde König Karl für sein hartes Vorgehen gegen die Sachsen kritisiert. So bat ihn der Abt Alkuin (735-804), einer seiner wichtigsten Vertrauten, sich zurückhaltender zu zeigen. Alkuin gab zu bedenken, dass das Wort Gottes nicht mit dem Schwert verkündet werden könne, sondern nur durch die Lehren der Heiligen Schrift.
Karl der Große erhielt indessen für sein brutales Vorgehen die Bezeichnung „Sachsenschlächter“.
Schlacht an der Hase
Im Spätsommer 783 fand mit der Schlacht an der Hase ein direkter Kampf zwischen Karl dem Großen und Herzog Widukind statt. Widukind bildete dabei aus sämtlichen sächsischen Stämmen ein großes Heer. Aber auch Karl, der schon zuvor in Detmold und Paderborn auf Widukind getroffen war, ließ Verstärkung anfordern und traf in der Nähe von Osnabrück mit den Sachsen zu einer Schlacht zusammen, die drei Tage lang andauerte.
Letztlich errang Karl einen triumphalen Sieg. Die sächsische Armee wurde zum Teil aufgerieben oder ging in Gefangenschaft. Widukind blieb nun nichts anderes übrig, als den Rückzug zu seiner Wittekindsburg bei Rulle anzutreten. Die Franken beherrschten fortan das gesamte Gebiet zwischen Weser und Elbe.
Widukind gibt nach
Im Jahr 785 geschah etwas Unerwartetes: Widukind lenkte gegenüber Karl ein, gab seinen Widerstand auf und ließ sich taufen. Außerdem leistete er dem Frankenkönig den Treueid. Karl wiederum trat selbst als Taufpate in Erscheinung.
Das Stammesgebiet der Sachsen konnte nun in das Reich der Franken eingegliedert werden. An der Elbe stießen sie auf Slawen und gerieten in Konflikte mit den nordelbischen Sachsen und den Dänen. Zum Schutz gegen die slawischen Wilzen entstanden an der Elbe zwei Holzburgen.
Letztes Aufbegehren der Sachsen
792 führte Karl Krieg gegen die Awaren. Dabei hob er auch zwangsweise Truppen in Sachsen aus. Die Sachsen empörten sich darüber und begannen erneut einen Aufstand.
Karl ließ daraufhin weitere Sachsen außer Landes deportieren. Das freigewordene Land ging an die Franken und deren Verbündete. Die meisten Sachsen unterwarfen sich dem Frankenkönig nun endgültig. Einzelne Verbände kämpften jedoch noch bis ins Jahr 804 weiter. Dann erlosch schließlich der letzte Widerstand gegen die Franken.
Versöhnung zwischen beiden Seiten
Karl versuchte nun durch Versöhnung einen dauerhaften Frieden mit den Sachsen zu erreichen. Alkuin hatte ihn 796 darüber belehrt, dass das Bekehren nur durch Gott und nicht durch den Menschen erfolgen konnte. Vor allem von den zwangshaften Massentaufen war die Kirche nicht sonderlich begeistert und stellte klar, dass zuvor eine Unterweisung nötig sei. Kritik gab es zudem an den Umsiedlungen sowie den Steuern für die Sachsen.
Karl der Große nahm sich die Kritik durchaus zu Herzen. 797 ordnete er an, dass die Sondergesetze des Capitulare Saxonicum abgemildert wurden. Als Karl zum Kaiser gekrönt worden war, ließ er das sächsische Volksrecht festschreiben. Alles was sich negativ auf das Christentum ausgewirkt hätte, wurde jedoch weggelassen.
Durch das Entstehen einer dauerhaften christlichen Infrastruktur ließ sich der Übergang in das Fränkische Reich sichern. So entstanden Bistümer in Paderborn, Minden, Bremen, Osnabrück und Münster.
Das Ende der Sachsenkriege bedeutete zudem das Finale der Völkerwanderungsepoche im Nordwesten. Karls Biograph Einhard (770-840) bezeichnete die Auseinandersetzung mit den Sachsen als den schwersten Konflikt, den die Franken jemals geführt hatten.
Folgen für die Sachsen
Die Sachsen wurden in das Fränkische Reich integriert und durch die Lex Saxonum mit den Franken rechtlich gleichgestellt. Ihre eigentliche Kultur sowie ihr Glauben hörten jedoch auf zu existieren. Stattdessen gliederten sie sich in die neuen politischen und gesellschaftlichen Strukturen ein.
Zwei Jahrhunderte später wurde von den Sachsen die Dynastie der Ottonen im Reich der Ostfranken gebildet. Otto I. stieg im Jahr 962 außerdem zum Herrscher des westlichen Kaiserreiches auf, das Karl der Große erneuert hatte.