Mit dem Langobardenfeldzug weitete Karl der Große seinen Einfluss bis nach Norditalien aus.
Der Feldzug dauerte fast ein Jahr von 773 bis 774.
Vorgeschichte des Langobardenfeldzugs
Als Frankenkönig Pippin der Kurze im Jahr 768 verstarb, teilten seine beiden Söhne Karl und Karlmann das Reich unter sich auf.
Es dauerte nicht lange, bis unter den beiden Brüdern Streitigkeiten um die Gebiete ausbrachen.
Daher versuchte Karl, Verbündete für sich zu gewinnen.
Einen Bundesgenossen fand er in Desiderius, der seit 757 König der Langobarden war.
Karls Mutter Bertrada die Jüngere (725-783) trat als Vermittlerin des Bündnisses auf.
Mit dem Pakt sollte das Reich der Franken im Süden gesichert werden.
Um das Abkommen zu festigen, schloss Karl mit einer Tochter von Desiderius, deren Name nicht gesichert ist, den Bund der Ehe.
Desiderius Tochter soll den Namen Gerperga getragen haben.
Allerdings hieß auch Karlmanns Frau Gerperga. Auch diesem Grund erhielt sie oft die Bezeichnung Desiderata.
Überraschender Tod von Karlmann
Am 4. Dezember 771 starb vollkommen überraschend Karlmann, obwohl er erst 20 Jahre alt war.
Weil dessen Söhne noch viel zu jung für die Regentschaft waren, übernahm Karl die Herrschaft über das gesamte Frankenreich.
Karlmanns Witwe Gerperga suchte daher Schutz bei dem Langobardenkönig Desiderius und erhielt bei ihm Asyl.
Obwohl Desiderius ein Verbündeter Karls war, lag es nicht in seinem Interesse, dass das Frankenreich größer und mächtiger wurde, weil er dies als Bedrohung für das eigene Reich ansah.
Bei Karl stieß Desiderius‘ Verhalten auf Unverständnis.
Weil sich die Situation durch Karlmanns Tod vollkommen verändert hatte, war das Bündnis mit König Desiderius nicht mehr von Bedeutung.
Daher verstieß Karl seine Gemahlin Desiderata, obwohl sie erst ein Jahr mit ihm verheiratet war.
Dieses Verhalten war wie eine Kriegserklärung an die Langobarden.
Desiderius suchte nun seinerseits Verbündete und versuchte im Februar 772 den neuen Papst Hadrian I. als Bundesgenossen zu gewinnen.
Desiderius verlangte vom Papst, dass er Karlmanns Söhne zu fränkischen Königen weihte.
Damit hätte Desiderius die Möglichkeit erhalten, deren Recht als Thronfolger in einem Krieg durchzusetzen.
Weil das Papsttum jedoch schon seit Jahrzehnten im Konflikt mit den Langobarden stand, verweigerte Hadrian Desiderius‘ Ansinnen.
Erbittert wandte sich der Langobardenkönig gegen das Papsttum und besetzte römisches Territorium.
Nur durch einen drohenden Kirchenbann konnte er von Roms Besetzung abgehalten werden.
Papst Hadrian bat nun Frankenkönig Karl um Hilfe.
Karl versuchte mehrfach mit Desiderius Verhandlungen aufzunehmen, denen dieser jedoch ablehnend gegenüber stand.
Dadurch war ein Krieg nicht mehr zu vermeiden.
Die Überquerung der Alpen
Da die Franken die Schutzmacht der Kirche in Rom bildeten, sah sich Karl nun gezwungen, einen Feldzug gegen die Langobarden zu unternehmen.
Dazu musste er zunächst die Alpen überqueren.
Im Sommer 773 versammelte der Frankenkönig seine Armee in der Nähe von Genf und teilte sie in zwei Korps ein.
Über das erste Korps übernahm Karl persönlich das Kommando und schlug mit ihm die Route Chambéry – Modane – Mont Cenis ein.
Das zweite Korps wurde von Karls Onkel Bernhard geführt, der mit ihm über die Route Martigny- Grosser St. Bernhard – Aosta – Ivrea nach Norditalien zog.
Auf der italienischen Seite der Alpen konnten beide Heere bei Susa wieder aufeinandertreffen.
Im Susatal in östlicher Richtung befanden sich die Klausen von St. Michael.
An dieser natürlichen Engstelle wartete Desiderius mit seinem Sohn und Mitregenten Adelchis auf die Franken, um ihnen an diesem strategisch günstigen Punkt entgegenzutreten.
In einer offenen Feldschlacht war dies den Langobarden wegen ihrer militärischen Unterlegenheit nicht möglich.
Weil Karl noch keinen offenen Angriff riskieren konnte, versuchte er erneut mit dem Langobardenkönig zu verhandeln, worauf sich Desiderius jedoch nicht einließ. Karl musste den Vormarsch stoppen.
Die Legende vom Spielmann
Einer Legende nach begab sich eines Nachts ein langobardischer Spielmann in das Lager der Franken.
Er machte Karl das Angebot, mit seinen Truppen über einen abgelegenen Bergpfad auf die Rückseite der langobardischen Verteidigungslinien zu gelangen.
Als Gegenleistung verlangte er sämtliches Land soweit der Klang seines Hornes reichte.
Karl stimmte zu und die Umgehungsaktion verlief erfolgreich.
Anschließend zog der Spielmann durch alle benachbarten Täler und blies dabei in sein Horn.
Jedem, den er traf, stellte er die Frage, ob er sein Horn vernommen hatte. Sagte derjenige Ja, erhielt er eine Ohrfeige, und der Spielmann sah ihn als sein Eigentum an.
Der Wahrheitsgehalt der Geschichte ist jedoch zweifelhaft, da sie erst mehr als 200 Jahre nach dem Langobardenfeldzug entstand.
Später fand sie Aufnahme in Jacob Grimms deutsche Sagensammlung.
Vielmehr gilt es als wahrscheinlicher, dass Karl bereits in Genf damit rechnete, dass ihn Desiderius an den Klausen von St. Michael erwartete.
Den gleichen strategischen Schachzug hatte bereits der Langobardenkönig Aistulf bei einem Langobardenfeldzug von Karls Vater Pippin unternommen.
Um die Langobarden zu täuschen, hatte Karl wahrscheinlich seine Armee zuvor in zwei Gruppen unterteilt.
Schließlich gelang es Karl, Desiderius von der Rückseite her anzugreifen, sodass dieser einen ungeordneten Rückzug in Richtung Poebene antreten musste.
Die Franken verfolgten sie bis in die langobardische Hauptstadt Pavia.
Desiderius‘ Sohn Adelchis begab sich nach Verona, wo sich Karlmanns Witwe Gerperga aufhielt.
Belagerungen
Karl belagerte ab dem Herbst 773 sowohl Pavia als auch Verona mit seinen Truppen.
Allerdings hatte er keine der Belagerungsmaschinen bei sich, die sich schon beim Aquitanienfeldzug seines Vaters bewährt hatten.
Aus diesem Grund sollte Pavia ausgehungert werden, was viel Zeit in Anspruch nahm.
Günstiger verlief dagegen die Belagerung Veronas. Die Stadt war zwar stark befestigt, doch ergaben sich die Verteidiger rasch und lieferten Gerperga aus.
Desiderius‘ Sohn Adelchis gelang es zu entkommen und ins oströmische Konstantinopel zu fliehen.
Das Schicksal Gerpergas und ihrer Söhne bleibt ungewiss, da nichts darüber überliefert wurde.
Die Belagerung Pavias dauert an
Die Belagerung Pavias zog sich bis Ostern 774 hin und erwies sich auch für die Franken als zermürbend.
Karl begab sich über die Feiertage mit einem Teil seiner Streitkräfte nach Rom, wo ihn Papst Hadrian I. freudig begrüßte.
Der Bund zwischen Papsttum und Franken konnte erneuert werden und Karl und der Papst bekundeten ihre gegenseitige Freundschaft.
In der Kirche St. Peter bereitete Hadrian dem Frankenkönig einen ehrenvollen Empfang.
Karls Einzug in die Stadt erfolgte aber erst, nachdem er den Papst um Erlaubnis gebeten hatte und dieser seine Zustimmung erteilte. So lag Karl viel daran, dem Papst Respekt zu erweisen und seine Autorität zu achten.
Darüber hinaus wurde der Pakt zwischen Karls Vater Pippin und dem damaligen Papst Zacharias erneuert, sodass sich die Gebietsansprüche der Kirche bestätigen ließen.
Ferner war Karl bei sämtlichen wichtigen Feierlichkeiten in Rom anwesend.
Im April befand sich Karl wieder vor Pavia und setzte die Belagerung der Stadt fort.
Die Langobarden litten zunehmend unter Hunger und Seuchen, die zu großen Verlusten unter den Verteidigern führten.
Nach neun Monaten der Belagerung blieb Desiderius schließlich keine andere Wahl, als sich am 4. Juni 774 Karl dem Großen zu ergeben.
Karls Triumph
Desiderius musste Karl die Hauptstadt der Langobarden, die geplündert wurde, übergeben, was auch das Ende des Langobardenreiches bedeutete.
Auf Befehl Karls wurden Desiderius und seine Frau Ansa für den Rest ihres Lebens ins Kloster Corbie im Frankenreich gebracht.
Wann Desiderius genau starb, blieb unbekannt. Sein letztes Lebenszeichen datiert aus dem Jahr 786.
Desiderius‘ Sohn Adelchis unternahm im Jahr 788 noch einmal den Versuch, das Königreich der Langobarden zurückzuerobern, als er mit byzantinischen Truppen in Kalabrien landete.
Er und die Byzantiner erlitten jedoch eine verlustreiche Niederlage gegen den Herzog von Benevent, womit Adelchis endgültig gescheitert war. Was aus ihm wurde, ist nicht bekannt.
Karl ließ sich in Pavia zum König der Langobarden krönen.
Die Verwaltung des Langobardenreiches wurde von Adligen aus Franken, Alemannia und Burgund übernommen.
Mit der Einnahme des Langobardenreiches erstreckte sich Karls Reich, abgesehen von der Iberischen Halbinsel, über fast ganz Westeuropa.
Seine Armee hatte ihre Schlagkraft aufs Neue bewiesen und das Bündnis mit dem Papst stand auf sicheren Füßen.
Keinen Zugriff hatte Karl allerdings auf die langobardischen Fürstentümer in Süditalien.
Dagegen waren nun Oberitalien und einige Regionen Mittelitaliens feste Bestandteile des Frankenreiches.
Als Reichsitalien gehörten sie später zum römisch-deutschen Reich.