Die Kaiserkrönung Karls des Großen im Jahre 800

Kaiserkrönung Karl der Große
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Am 1. Weihnachtstag des Jahres 800 wurde Frankenkönig Karl der Große vom Papst zum römischen Kaiser gekrönt.

Damit gehörte er zu den einflussreichsten Monarchen des frühen Mittelalters.

Karls Kaiserkrönung und der Papst

Die Krönung des mächtigen Karolingerkönigs Karl (747/748–814) stand in engem Zusammenhang mit den Problemen des Papstes Leo III. (um 750 – 816).

Leo hatte im Jahr 795 die Nachfolge von Hadrian I. angetreten, der Karl stets wohlgesonnen war.

Der neue Heilige Vater sah sich jedoch massiven Problemen mit dem römischen Stadtadel ausgesetzt, der in unterschiedliche Interessengruppen zersplittert war.

Der Stadtadel spielte jedoch eine bedeutende Rolle bei der Wahl des Papstes.

Die Adligen warfen Leo III. eine unehrenhafte Lebensweise vor. Da sie dem Papst deswegen den nötigen politischen Rückhalt entzogen, wurde seine Lage immer schwieriger.

Im April 799 eskalierte die Situation schließlich, und es ereignete sich während einer Prozession ein Attentat auf den Papst.

Dabei wurde er von einer Horde Adliger mit Messern und Knüppeln angegriffen und zu Boden gerissen.

Einige mutige Diakone griffen ein und brachten Leo in den Lateranpalast in Sicherheit.

Als der Heilige Vater wieder von seinen Verletzungen genesen war, fühlte er sich in Rom nicht mehr seines Lebens sicher. Daher beschloss er, aus der Ewigen Stadt zu fliehen und Frankenkönig Karl um Hilfe zu bitten.

Über die Alpen begab sich Leo nach Paderborn in Westfalen, wo Karl der Große in seinem Hoflager weilte.

Planung der Romreise

Gemeinsam mit Karl soll Leo III. in Paderborn den Plan ersonnen haben, den Kirchenstaat mit dem Reich der Franken untrennbar zu verbinden.

Das Frankenreich setzte sich seinerzeit aus dem heutigen Westdeutschland, Frankreich, der Schweiz, Österreich, den Benelux-Ländern und Oberitalien zusammen, während der Kirchenstaat über Teile Mittelitaliens verfügte, die ihm einst von Karls Vater Pippin dem Kleinen als Geschenk gemacht worden waren.

Durch eine Verbindung dieser beiden Staaten sah der Papst die Möglichkeit, das Abendland nachhaltig zu verändern, da es zu einer Verbindung zwischen dem Weltlich-Politischem und dem Päpstlich-Geistigen käme.

Eine enge Kooperation zwischen Papsttum und Frankenreich hatte es bereits mit Leos Vorgänger Hadrian I. gegeben.

Dieser empfing im Jahr 774 Karl den Großen erstmals in Rom und salbte einige Jahre später dessen Söhne zu Unterkönigen.

Darüber hinaus war von Hadrian eine neue Zeitrechnung eingeführt worden, und die Urkunden des Papstes orientierten sich nicht mehr an den Regierungsjahren des oströmischen Kaisers im byzantinischen Konstantinopel. Stattdessen war nun das eigene Pontifikat maßgeblich.

Ebenso wurden die neuen Münzen nicht mehr mit dem Konterfei des byzantinischen Basileus, sondern mit dem Antlitz des Papstes geprägt.

Doch weder Hadrian noch Karl hatten eine vollständige Loslösung von Ostrom geplant.

Zug nach Rom

Karl der Große erklärte sich bereit, den Papst zu unterstützen.

Ende des Jahres 799 wurde Leo III. von einer fränkischen Leibwache, die für seinen Schutz sorgte, nach Rom eskortiert.

Schließlich folgte Karl im Spätsommer 800 dem Papst nach Rom, wo er Ende November eintraf.

Es gelang Karl, die brisanten Verhältnisse in der italienischen Stadt zu entschärfen.

So leistete Leo III. einen Reinigungseid ab, mit dem er die Situation deeskalierte.

Die Krönung Karls am 1. Weihnachtstag 800

Bis zum 25. Dezember 800 soll nichts auf eine Krönung Karls des Großen zum Kaiser hingewiesen haben.

Noch am 23. Dezember hatten Gesandte im Namen des Patriarchen von Jerusalem Karl symbolisch einen Schlüssel sowie eine Fahne überreicht, um ihn zum Schutzherren der Christenheit zu küren.

Am 1. Weihnachtstag des Jahres 800 geschah dann in der Petersbasilika etwas, was ganz Europa vollkommen überraschte.

Als Karl andächtig zum Gebet vor dem Altar der Kirche kniete, setzte ihm Papst Leo III. die goldene Krone des römischen Kaisers auf den Kopf und salbte ihn unter dem Jubel der versammelten Menge.

Nach Berichten von Karls Biografen Einhard (um 770–840) soll Karl der Große sehr überrascht über den Vorgang gewesen sein.

Kaiser wider Willen?

Einhard zufolge war Karl die unverhoffte Krönung sogar zuwider.

Die Historiker gehen jedoch davon aus, dass dies nicht stimmte und die aufwendigen Vorbereitungen keineswegs unbemerkt abgelaufen sein können.

Außerdem sei es undenkbar, eine Kaiserkrönung gegen den Willen des mächtigen Monarchen durchzuführen.

Darüber hinaus befand sich Leo III. in einer schwachen Position und war vollkommen abhängig von Karl.

So war es vielmehr Karl der Große selbst, der schon seit einiger Zeit die Krönung zum Kaiser angestrebt hatte und auf diese Weise das römische Kaisertum in Westeuropa erneuern wollte.

Als Kaiser konnte Karl auch die Rolle des Richters über Leos Feinde übernehmen.

Bedenken mögen Karl im Hinblick auf das Verhältnis zu Byzanz gekommen sein, doch zuwider war ihm der Gedanke, römischer Kaiser zu werden, gewiss nicht.

Darüber hinaus sprach auch seine Kleidung an jenem Tag gegen eine überraschende Krönung. So trug Karl anstelle seiner üblichen fränkischen Kleidung das purpurne Gewand eines antiken Kaisers von Rom.

Vorteile durch die Kaiserkrönung

Sowohl Karl dem Großen als auch Papst Leo III. verschaffte die Kaiserkrönung einige Vorteile.

So befand sich der Heilige Vater nun dauerhaft unter dem Schutz des fränkischen Heeres, sodass er sich von der Oberherrschaft des byzantinischen Kaisers endgültig emanzipieren konnte.

Karl dagegen galt nun für die von ihm eroberten germanischen Völker als göttlich bestätigter, rechtmäßiger Sieger.

Die römischen Adligen, die im April 799 das Attentat auf Leo III. verübt hatten, wurden verhaftet und zum Tode verurteilt.

Der Papst erwies sich jedoch als gnädig und verbannte sie nur aus Rom.

Günstige Faktoren für die Krönung

Für die Krönung hatten sich Karl der Große und Papst Leo III. einen günstigen Zeitpunkt ausgewählt.

So wurde Byzanz in diesem Jahr mit Kaiserin Irene (752-803) von einer Frau beherrscht, was in Westeuropa seinerzeit als Schwäche angesehen wurde, zumal das byzantinische Reich mit innenpolitischen Problemen zu kämpfen hatte.

Um sein Kaisertum auch im Osten zu legalisieren, soll Karl der Große geplant haben, Irene zu heiraten, was jedoch am Widerstand des einflussreichen byzantinischen Eunuchen Aetios gescheitert sei.

In fränkischen oder römischen Quellen gibt es allerdings keine bestätigenden Angaben für dieses Vorhaben.

Von den Byzantinern wurde die Krönung Karls des Großen zum Kaiser zunächst nicht anerkannt.

Sie betrachteten ihn abwertend als „Ursupator“ und beanspruchten weiterhin ihr exklusives römisches Kaiserrecht.

So war durch die Krönung in Rom ein Zweikaiserproblem entstanden.

Der Papst vertrat jedoch die Ansicht, dass Frauen nicht das Recht besaßen, den Kaisertitel anzunehmen, sodass er das Amt des Kaisers als vakant ansah.

Es dauerte bis ins Jahr 812, bis Karl das Zweikaiserproblem mit den Byzantinern beilegen konnte.

So einigte er sich mit dem neuen Kaiser Michael I. im Vertrag von Aachen, dass sich Karl fortan Imperator ohne weiteren Zusatz nannte, während sich der byzantinische Kaiser als „Kaiser der Römer“ (Basileos ton Rhomaion) bezeichnete.

Auf diese Weise wurden de facto zwei Kaiser in Europa anerkannt.

Auswirkungen der Kaiserkrönung auf das Frankenreich

Karls Krönung zum Kaiser wirkte sich auf das Reich der Franken überaus positiv aus und verhalf ihm zu einer kulturellen Blüte.

So ließ der neue Kaiser schon rasch, nachdem er die Krone erhalten hatte, eine einheitliche Schrift, eine gemeinsame Währung sowie identische Gewichtsmaße einführen.

In Aachen wurden auf Geheiß Karls des Großen Gebäude errichtet, die an die Pracht des alten Roms erinnern sollten.

Außerdem erwies sich der Kaiser als Förderer der Wissenschaften und erteilte den bedeutendsten Gelehrten jener Zeit den Auftrag, alles damals bekannte Wissen zu sammeln und zusammenzufassen, womit er die karolingische Renaissance einleitete. Diese wurde zum Bindeglied zwischen der Antike und dem Mittelalter.

Darüber hinaus war Karl Anhänger der Vier-Reiche-Lehre. Gingen diese Reiche unter, war dies gleichbedeutend mit dem Untergang der Welt. Durch die Annahme des Kaisertitels konnte der Franke das Römische Reich und dessen Kaisertum jedoch am Leben erhalten und damit den Weltuntergang verhindern, wie er glaubte.

Auf jeden Fall gerettet hat Karl der Große das Wissen der Antike. So verdankt die moderne Welt ihr Wissen über das alte Rom zu weiten Teilen der karolingischen Renaissance, die das kulturelle Erbe der Antike vor dem totalen Verlust bewahrte.